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Dr. Razi Hejazian
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Von der Industrie- und Handels-
kammer zu Berlin öffentlich bestellter
und vereidigter Sachverständiger
für Orientteppiche und Kelims

  Bergama Teppich - Anatolien (Türkei)
 
 

9. Forschungsprojekt : Berlin 2002 (2001)

"Die Lebensform der Schahsawan-Nomaden Irans befindet sich seit Mitte des 19. Jahr-
hunderts in deutlicher Veränderung. Das periodenweise harte Vorgehen der Regie-
rungen gegen Nomaden, gekoppelt mit der Übernahme von Waren aus den Industrie-
ländern sowie ein zunehmendes Interesse an dem damit verknüpften Lebensstil führte
z.T. zu Assimilierung, z.T. zu vollständiger Integration, möglicherweise auch zu anderen
Reaktionsformen.
Es ist zu vermuten, dass mit dem Wandel der nomadischen Wirtschafts- und Lebens-
weise eine starke Veränderung der künstlerischen Schöpfung in der Textilkunst der
Schahsawan-Nomaden stattgefunden hat.
Gegenstand des Projektes ist, die materielle Kultur der Schahsawan-Nomaden im Iran
unter besonderer Berücksichtigung ihrer Web- und Knüpferzeugnisse zu untersuchen.
Dabei sollen die Form des Tradierens von Know-how innerhalb der Stammeskultur und
zugleich die Verarbeitung äußerer Einflüsse erforscht werden."

Dr. Razi Hejazian, Berlin 2002

"Eine Oba ist eine Lagergemeinschaft, die aus mehreren Haushalten besteht. Diese
Haushalte, die untereinander verwandt sind, besitzen zwischen 2 und 15 Zelte. Oba ist
der wirtschaftliche und gesellschaftliche Kern der Schahsawan-Nomaden, damit vollzieht
sich das Leben und die Weidewirtschaft im Rahmen der Oba.

Eine Familie von der Oba "Haji-Tofig" im Geschlag-Gebiet. Schahsawan haben gelernt,
sich optimal an die Natur anzupassen, und ihr das täglich abzuringen, was sie zum Leben
brauchen. Diese Beschränkung auf das Notwendige, das ihr ganzes Leben durchzieht,
macht es möglich, in ihrer Welt zu überleben.

Die Brennstoffversorgung ist in der winterlichen Oba durch die hoch aufgetürmten,
kegelförmigen Dungstapel gewährleistet.

In einem Allazig befindet sich in der Mitte ein runder Herd. Das Abzugsrohr des Herdes
führt durch die Rauchklappe ins Freie.
Das Grundgerüst eines Allazigs (Schahsawan-Zelt) besteht aus 24 - 36 gebogenen
Holzstützen und einem Dachkranz, in dem die Holzstützen zusammenlaufen.
Die Plastiksäcke haben längst die handgearbeiteten Vorratstaschen (Juwals), die einst
die Kunstfertigkeit der Weberinnen aufwiesen, verdrängt.

Wenn ein Baby im Zelt ist, wird es dort in eine Hängemattenwiege gelegt. Die schönen
handgearbeiteten Wiegenbänder von früher sind heute durch Kunststoffseile ersetzt.

In jeder winterlichen Oba befindet sich mindestens ein Tandir. Das ist eine Feuerstelle,
die in die Erde senkrecht eingelassen ist und als Brotofen dient. Dieser Ofen ist auf einer
erhöhten Terrasse angelegt.

Das tägliche Backen von Fladenbrot geschieht im Winter in dem Tandir. Der Teig aus
Weizenmehl wird dünn auf der Backplatte ausgebreitet, und anschließend auf einem
Dungfeuer erhitzt.

Die Butter (Nehra Karasi) wird dadurch erzeugt, dass die an einem Dreifuß hängende schwarze Lederhaut (Nehra) voller Milch vor-und zurückbewegt wird.

Wenn die Schafe im Spätherbst und Anfang Winter zu Beginn des Geschlag- Aufenthaltes
werfen, findet dem zu Folge die Milchverarbeitung in dieser Zeit statt. Die Schafe werden
täglich gemolken. Aus der gewonnenen Milch wird Käse und Joghurt erzeugt.

Neben Milchprodukten in verschiedenen Reifestadien ist das Brot die Hauptnahrung der
Schahsawan.

Die reiche Textiltradition der Schahsawan ist vollständig durch Verni-Produktion in den
Siedlungen, die im vollem Maße durch Auftragsarbeit marktwirtschaftlich ausgerichtet ist,
ersetzt. Es werden keine Textilien mehr zum Eigenbedarf hergestellt.

Der Dachkranz befindet sich etwa 2 Meter über dem Boden. Ein straffes senkrechtes Seil
verbindet den Dach-Kranz mit dem Boden. Das Bündel von Seilen unter dem Dachring
bietet auch einen geeigneten Platz, um Taschen oder Tücher aufzuhängen.

Die kleinen Kinder werden in den Tragetüchern auf dem Rücken getragen. Das lernen die
Mädchen schon mit sieben Jahren.

Ob der stolze Schahsawan-Junge die Tradition der Vorfahren fortsetzen kann?
Seit dem Schahsawans ihre Weideplätze zum größten Teil in den letzten Jahren verloren
haben, sind sie in ihrer Existenz gefährdet.

Transporter statt Kamel, Holzkiste statt handgewebter Mafrasch, PVC-Plane und Plastik-
decke statt Filzmatte für das Zelt, Jeansmode statt traditioneller Kleidung. Angesichts des
erstaunlich schnell fortschreitenden Wandels, dem die Schahsawan jetzt unterworfen sind,
werden auch die heute gerade noch sichtbaren Spuren der traditionellen nomadischen
Lebens- und Wirtschaftsweise in absehbarer Zeit verschwinden.

Die Schahsawan-Nomaden sind Viehzüchter. Sie züchten in erster Linie Schafe und
wenige Ziegen. Ihr tradierter Lebensrhytmus wird von den Abläufen und Notwendigkeiten
der Natur bestimmt.

Das Gerüst eines Allazigs ist mit wasserabweisenden Filzbahnen bedeckt. Die ursprüng-
lich hellen Filzdecken auf dem Gerüst werden mit der Zeit graubraun, so dass sich die Zelte
für den entfernten Betrachter kaum von der Umgebung unterscheiden.

Zu den Obas gibt es keine Straßen. Nur einzelne Pfade führen zu den jeweiligen Obas.
Jemand, der mit dieser Gegend nicht vertraut ist, würde sehr leicht die Orientierung
verlieren.

In den Trockenjahren gibt es hier kaum Niederschläge und die braune Erde bietet kaum
Nahrung für die Schahsawan-Herden. Ihre traditionelle Lebensweise, ihre Eigenständig-
keit, ihre Verbundenheit mit der Natur Bezahlen die Schahsawans mit dem Preis eines
harten Lebens. Eine romantische Vorstellung von Nomaden, die frei in der Natur umher-
ziehen und nur Gott und der Natur verpflichtet sind, hat wenig mit der Wirklichkeit und dem
harten Leben dieser Menschen gemein.

Der Ofen im Zelt, der mit dem Tierdung gespeist wird, ist von einer niedrigen Einfassung
aus Lehm gerahmt. Drum herum auf dem Boden liegen Ofendecken. Um den Ofen spielt
sich das soziale Leben ab.

Die kastenförmigen Bettzeugtaschen (Mafrasch) stehen im Zelt Seite an Seite rings um
den Innenraum auf einem niedrigen Steinsockel, der die Feuchtigkeit abhält.
Diese Taschen, die meistens paarweise aufgestellt sind, bilden eine niedrige, weiche
Mauer.

Alt sein bedeutet hier am Gipfel des Lebens angekommen zu sein. Das Wort der Alten, ob
Frau oder Mann, hat Gewicht. Sie sind das Zentrum der Gemeinschaft. Vom jüngsten Sohn
wird daher erwartet, dass er bei den Eltern im Allazig bleibt, um ihnen behilflich zu sein.

Gastfreundschaft hat einen sehr großen Stellenwert bei den Nomaden. Kommen Gäste,
so werden sie auf den Ehrenplatz im Allazig, der Platz gegenüber dem Eingang, gebeten.
Tee ist das Grundelement der Gastfreundschaft in den Obas. Wer in einen Allazig kommt,
wird sogleich mit Tee bewirtet.

In den umliegenden Siedlungen und Ortschaften findet man Teehäuser, wo sich überwiegend seßhaft gewordene Schahsawans versammeln. Es werden Lieder aus Vergangenen Zeiten, aus dem Nomadenleben der Vorfahren gesungen.

Eine Siedlung seßhaft gewordener Schahsawans mit festen Betonhäusern. Es ist nur
noch eine Frage der Zeit, bis die letzten Nomadenzelte (Allazigs) abgeschafft sind.

Wie die Kamelkarawane und materielles Kunstschaffen dieser Menschen zur Vergangen-
heit gehören, werden bald auch die einsame Allazigs völlig verschwinden.

Ein Alazig der Schahsawan-Nomaden in der Moghan-Steppe. Die Weideplätze hier befin-
den sich in dem für die agrarischen Erschließung vorgesehenen Erweiterungsgebiet.
Es herrscht eine große Unsicherheit über die Zukunft und über immer knapper werdende
Weidegebiete.

Der Eingang eines Allazigs ist mit einer rechteckigen, innen durch eine Schilfmatte verstärkten und dadurch aufrollbaren Filzdecke verschließbar. Auf diesem Eingangsfilz ist meistens ein sich verzweigendes Muster aus dunkler Wolle in Applikationstechnik eingearbeitet.
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